Das deutsche Skyrim ist eine kostenlose Mod

Wenn die Fachpresse ein Spiel mit Superlativen wie "echter Gameplay-Hammer", "große Rollenspielkunst auf Weltklasse-Niveau" oder "das bessere Skyrim" überhäuft, ist es meist ein AAA-Titel mit riesigem Entwicklungs- und Marketingbudget. Manchmal dürfen sich auch mal Ausnahme-Indies mit solchen Lorbeeren schmücken. Große Mods hingegen schaffen es oft nicht mal von der Idee zum Endprodukt, von Erwähnungen in Testrubriken großer Magazine ganz zu schweigen. Die obigen Zitate allerdings stammen aus Besprechungen von Enderal, das im Juli 2016 erscheint. Dabei handelt es nicht um eine kommerzielle Veröffentlichung, sondern eine sogenannte Total Conversion für Skyrim.

Anders als bei einfachen Mods, die vereinzelt neue Features, Gegenstände oder Nebenquests anbieten, nutzen Total Conversions ausschließlich das technische Gerüst des Spiels und erschaffen auf dessen Basis etwas Neues. Das Team von SureAI aus Bayern hat mit Enderal zum Beispiel eine komplett neue Spielwelt kreiert, die mit dem Rollenspielhit von Bethesda nur noch die zugrundeliegende Engine gemeinsam hat. Dass die Mod bereits drei Monate nach Veröffentlichung eine Million mal heruntergeladen wird, ist auch für Nicolas Lietzau überraschend. Seit Januar 2018 ist er als Lead Writer bei THQ Nordic für Spellforce 3: Fallen God und Spellforce 3: Soul Harvest verantwortlich. Seinen ersten Schritt in die Spieleentwicklung macht er allerdings, als er im November 2011 zu SureAI stößt.

Nicolas Lietzau war Lead Writer und Projektleiter für Enderal und arbeitet mittlerweile am Spellforce-Franchise. (Quelle: Privat)

Die Mod-Fabrik aus Oberbayern

Einen Monat vor seinem Einstieg beendete das Team, das 2003 von Dennis Weich und Johannes Scheer gegründet wird, die Arbeit an seiner Total Conversion Nehrim für The Elder Scrolls 4: Oblivion. Weich und Scheer sind Kommilitonen von Lietzau im Studiengang Gamedesign an der Mediadesign-Hochschule für Design und Informatik in München. Da Weich dessen Portfoliopräsentation in einem gemeinsamen Seminar gefällt, holt er Lietzau ins Team, das sich nach dem Nehrim-Release fast vollständig aufgelöst hat. "Es war ein interessanter Vibe, weil vom Ursprungsteam nur noch drei Leute übrig waren", erinnert sich Lietzau.

Die Motivation, neue Mod-Projekte zu starten, sei zu diesem Zeitpunkt niedrig gewesen. Das habe sich erst mit der Ankündigung von Skyrim und den dazugehörigen kostenfreien Modding-Tools geändert. Das neue Projekt sollte allerdings nicht so ausufern wie der Vorgänger und maximal zehn bis 20 Stunden Spielzeit umfassen. Dass dieser Plan nicht aufgeht, zeigt sich schon in der Frühphase der Entwicklung. Vor allem bei der Story, dem Zuständigkeitsbereich von Lietzau, reicht die anvisierte Spielzeit schnell nicht mehr aus.

Eigentlich sollte Lietzau nur Nebenquests schreiben. Durch den Personalmangel im Team wurde daraus die Hauptstory. "Ich dachte mir: 'Ach, das sind jetzt noch zwei Jährchen Arbeit und macht sich gut im Portfolio'", sagt Lietzau. Aus zwei Jahren werden vier, aus ein bisschen Arbeit knapp 30.000 Stunden im Creation Kit von Skyrim. Auf den ersten Blick passen diese Eckdaten zu Entwicklungsprozessen kommerzieller Produkte. Nur: An AAA-Rollenspielen mit voll vertonten Charakteren, zahlreichen Quests und einer großen Spielwelt wie in Enderal arbeiten normalerweise hunderte Menschen und nicht nur eine Handvoll Gamedesignstudierende. Wie also ist es möglich, dass ein so kleines Team ohne finanzielle Motivation ein derart umfangreiches Projekt stemmen kann?

Professionalität wird in der Modding-Szene schnell zum Stolperstein

Für Lietzau ist die Antwort eine Mischung aus klaren Strukturen und Offenheit für Anarchie. Die Durchsetzung von Ersteren sei dabei oft genug mit Problemen verbunden gewesen. "Du kannst vergessen, bei einem unkommerziellen Team starre Hierarchien einzuführen", sagt Lietzau, der schnell vom Lead Writer zum Co-Projektleiter aufsteigt. "Die Leute kommen, weil sie Bock haben, und du musst ihnen etwas geben, damit sie am Ball bleiben."