So verwandelte sich Final Fantasy von einer Katastrophe zum Hit-Rollenspiel

Es ist eine Erfolgsgeschichte sondergleichen. Nach einem desaströsen Launch entwickelt sich Final Fantasy 14 in zwölf Jahren zu einem der beliebtesten MMORPGs weltweit. Zu verdanken ist das vor allem: Vertrauen.

So verwandelte sich Final Fantasy von einer Katastrophe zum Hit-Rollenspiel
Schweine mit Segelohren und rosa Elfen prägen das Bild von Final Fantsay 14. Unter anderem. (Quelle: Square Enix)

Habt ihr schon vom hochgelobten MMORPG Final Fantasy 14 gehört, das eine gratis Testversion vom Basisspiel samt der ersten Erweiterung bietet, die ihr ohne Zeitlimit bis Level 60 spielen könnt? Wahrscheinlich ja. Einerseits hat sich die Frage zum vielzitierten Meme entwickelt. Andererseits zählt Final Fantasy 14 mit über 25 Millionen Spieler*innen zu den populärsten MMOs weltweit.

Zur Veröffentlichung im September 2010 schien dieser Erfolg undenkbar. Ob Performanceschwächen, konstant abstürzende Server, fehlende Inhalte oder labyrinthartige Gebiete: "Die Launch-Version war furchtbar. Das kann man unmöglich schönreden", meint Brian Montfort.

Der Softwareingenieur produziert Videos für die YouTube-Kanäle Work To Game und Ginger Prime. Er verfolgt Final Fantasy 14 schon vor der offiziellen Ankündigung im Juni 2009, da ihn die Reihe seit Kindheitstagen begleitet. Die Fachpresse und Spieler*innen beurteilen diese erste Version ebenso vernichtend wie Montfort. Zum Release hagelt es negative Reviews; noch heute füllen Berichte über ehemalige Probleme ganze Forenthreads.

Der Mann, der Unmögliches schaffte

Schuld daran sei laut dem späteren Director und Producer Naoki "Yoshi-P" Yoshida das sture Vertrauen von Publisher und Entwickler Square Enix auf vergangene Erfolge gewesen. Statt sich für Final Fantasy 14 von World of Warcraft inspirieren zu lassen – das einen neuen Genre-Standard setzt – knüpft es an den acht Jahre alten MMO-Vorgänger Final Fantasy 11 an.

Zudem habe man aktuelle Makel mit Aussicht auf künftige Patches vernachlässigt und die Substanz des Spiels unter Grafikversessenheit begraben. "Beliebiger Kram wie Blumenkübel hatte so viele Polygone wie ganze Charaktermodelle", merkt Montfort an. Entsprechend bröckelig ist das Fundament, das Yoshida bei Arbeitsbeginn nach einer Umstrukturierung des Entwickler*innenteams im Dezember 2010 vorfindet.

Kostenlose Fan-Server halten Ultima Online und Everquest am Leben
Ein Hauptmerkmal von Online-Rollenspielen ist der regelmäßige Nachschub an neuen Inhalten. Von Fans betriebene Classic-Server setzen auf Nostalgie statt Neuheiten – und beeinflussen damit längst auch den Mainstream.
Ohne seine Community ist ein MMO nichts.

Was folgt, ist in der MMO-Geschichte einmalig. Ein Teil der Entwickler*innen bügelt die gröbsten Makel als Übergangslösung aus. Der Rest entwickelt gleichzeitig ein neues Final Fantasy 14 nach Vorbild von Activision Blizzards MMORPG. Und tatsächlich: "Yoshi-P hat Version 1.0 genommen und sie gut gemacht", erinnert sich Montfort. Das Team entschlackt das Interface, beschleunigt das sperrige Kampfsystem und ergänzt Inhalte. "Als der letzte Patch im September 2012 erschien, hat das Spiel wirklich Spaß gemacht. Man konnte sehen, wie viel Potenzial da war."

Zwei Monate später versinkt die Welt von Final Fantasy 14 1.0 in Flammen. Buchstäblich. Square Enix schaltet die Server ab, damit sämtliche Ressourcen in die neue Version fließen können. Das ist auch nötig, denn Yoshida hat ab Arbeitsbeginn nur zweieinhalb Jahre Zeit für seinen Plan – laut eigener Angaben weniger als die Hälfte der durchschnittlichen MMO-Entwicklungsdauer.

Als Final Fantasy 14: A Realm Reborn im August 2013 erscheint, überhäufen Presse und Spieler*innen Yoshidas Team mit Lob; die Server sind binnen weniger Wochen überlastet. Auch Montfort ist begeistert: "Es war elektrisierend. Plötzlich gab es kleine Städte, angelnde Menschen, NPCs gingen ihrem Alltag nach. Die Welt lebte!"

Kommunikation ist der Schlüssel

Heute sieht man Final Fantasy 14 den turbulenten Start nicht mehr an. Mit Endwalker erscheint vergangenen Dezember die vierte große Erweiterung, die wie ihr Vorgänger Bestwertungen einstreicht. Gleichzeitig zieht Square Enix die im Meme beworbene Testversion wegen verstopfter Server im Dezember 2021 für drei Monate aus dem Verkehr und selbst digitale Kopien sind mehrfach ausverkauft.

Laut Montfort lässt sich die zunehmende Beliebtheit leicht erklären. "Final Fantasy 14 macht vieles besser als die Konkurrenz. Wir hören zum Beispiel regelmäßig von den Entwickler*innen, was unfassbar wichtig für das Vertrauen ist." Das hat Yoshida früh erkannt und beugt damit dem Kommunikationsproblem vor, das seine Inspiration heute plagt.

Mit Amtsantritt veröffentlicht er den Vorläufer seiner Beitragsreihe "Letter from the Producer", die über aktuelle Pläne informiert und die Sorgen der Spieler*innen adressiert. "Abseits davon kommen regelmäßig Forenposts und Yoshida setzt sich regelmäßig für mehrere Stunden vor die Kamera und bespricht kommende Updates", so Montfort. "Man kann die Uhr danach stellen und die Videos sind so persönlich wie transparent." Schlagen Spieler*innen etwa Änderungen an Final Fantasy 14 vor, erklärt Yoshida, ob beziehungsweise wann man damit rechnen kann.

Eine ähnliche Philosophie verfolgt Square Enix mit den regelmäßigen Content-Updates. Sie bieten neue Quests, Raids oder Erzählstränge und erscheinen mittlerweile alle vier Monate, um Crunch zu vermeiden. Davon würden, so Montfort, alle Seiten profitieren. "Der neue Zyklus ist natürlich gesünder für die Entwickler*innen. Das Publikum hat hingegen weiterhin Gewissheit über kommende Inhalte." Das helfe nicht nur bei Erwartungshaltungen und Ungeduld. "Wenn du etwa eine Pause einlegen oder wieder einsteigen möchtest, kannst du den Zeitpunkt im Voraus recht genau abschätzen."

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"Es fühlt sich immer an, als würde ich Urlaub machen"

Was aber hält Menschen über zwölf Jahre beim selben Spiel? Für Montfort ist es vor allem die Story. "Wie ein klassisches Final Fantasy erzählt sich 14 über Zwischensequenzen und Charaktere, zu denen du Bindungen aufbaust. Die Geschichte beruht auf Empathie. Und ich glaube, das zieht viele Menschen an." Die hunderte Stunden umspannende Erzählung um die Krieger*innen des Lichts, die das Land Eorzea retten müssen, sei selbst ohne Vorkenntnisse verständlich. "Du steigst durch, ohne ein einziges Video auf YouTube schauen zu müssen", versichert er.

Auch die Ästhetik hebt sich von anderen im Westen populären MMOs ab. Statt hypermaskuliner Ritter in noch hypermaskulineren Rüstungen trifft man häufiger auf Katzenmädchen, die zu Gitarrenriffs Seedrachen verprügeln. "Ich würde den Stil dennoch nicht als rein Japanisch beschreiben", meint er und lacht, "auch wenn ich erst durch das Spiel die Definition von Weeb gelernt habe."

Eher versteht er Final Fantasy 14 als globale Marke. "Du hast natürlich Einflüsse aus Japan, wie das Gebiet Shirogane. Du siehst aber auch englische Mythologie im Pixie-Stamm oder indische Architektur in der Thavnair-Zone." Diese Kombination verschiedener Kulturen hilft Montfort seit Beginn der Pandemie besonders. "Es fühlt sich immer an, als würde ich Urlaub machen. Da das in den letzten zwei Jahren unmöglich war, bringt Final Fantasy 14 die Welt gewissermaßen zu mir."

Die Community von Final Fantasy 14 hält zusammen. Auch mit selbstironischen Memes. (Quelle: Square Enix)

Ein Finale ist in Sicht

Trotzdem habe Final Fantasy 14 weiterhin Verbesserungspotenzial. "Ich würde gern mehr MMO-Elemente im größeren Maßstab sehen", wünscht sich Montfort. Konkret meint er damit etwa wöchentliche Events, die mehr Spieler*innen in die Open World locken würden, wie das Conquest-System in Final Fantasy 11. "Wenn neue Patches oder Erweiterungen kommen, sieht man überall Menschen und das Spiel wirkt lebendig", ergänzt er. "Außerhalb davon kann es sich aber sehr isolierend anfühlen."

Zudem würde er noch bessere Zugänglichkeit beziehungsweise Verfügbarkeit begrüßen. Montfort lobt zwar den "hervorragenden Controller-Support", der mehr Spieler*innen ein Genre eröffnet, das traditionell mit Maus und Tastatur gespielt wird. Eine Veröffentlichung auf Xbox und Cloud-Gaming-Plattformen wie Nvidia Geforce Now sei aber längst überflüssig, denn Final Fantasy 14 ist nur auf PC und PlayStation 4 verfügbar.

Sonst weiß Montfort über die Zukunft von Final Fantasy 14 nur eins: "Ich werde es wohl nicht ewig spielen." Gerade als Content Creator auf YouTube möchte er die Freiheit, das Spiel hinter sich zu lassen, sobald es ihn erschöpft. Die Endwalker-Erweiterung sei ein zufriedenstellender Schlusspunkt der bisherigen Story. "Sie abzuschließen, hat mich erleichtert. Es war ungefähr so, als würdest du plötzlich die Herr-der-Ringe-Trilogie beenden", resümiert er. "Das soll nicht heißen, ich würde sofort aufhören. Ich logge mich immer noch täglich ein. Aber in fünf Jahren? Wer weiß."

Nach über einer Dekade Spielzeit und fast sechs Jahren Videos zu Final Fantasy 14 würde ihm wohl niemand eine Pause verübeln. Für alle, die erst jetzt neugierig werden, hat er einen Rat: "Schaut euch unbedingt die Gratis-Testversion an. Einen besseren Zeitpunkt als jetzt gibt es nicht."