Das erste Indie-Pferde-Spiel ist längst nicht mehr das einzige
Seit die Entwicklung des Reitspiels Equestrian begann, erschien zahlreiche Konkurrenz. Entwicklerin Molly Ericson freut die Belebung ihrer Nische.
Vor drei Jahren hatte Molly Ericson mit ihrem Team die Arbeit an Equestrian The Game in Vollzeit begonnen. Seitdem entwickelte sich das Pferdespiel für Android- und iOS-Geräte zu einem der am meisten erwarteten Spieleprojekte in dieser Nische. Ende März 2022 wurde das Spiel schließlich in Europa veröffentlicht, nachdem es zuvor nur in ausgewählten Ländern erhältlich war, im Mai steht der weltweite Release an.
Während viele Spiele erst später in ihrem Entwicklungszyklus öffentlich angekündigt werden, wurde das Reitspiel fast von Anfang an mit hohen Erwartungen verfolgt. Zwischen dem Start als Hobbyprojekt Ende 2017 und der ersten regionalen Veröffentlichung im Juli 2021 reichten die Meinungen zu Equestrian The Game von "Das wird das beste Spiel aller Zeiten" über "Es wird total überbewertet" bis hin zu "Sie reden schon so lange darüber, dass es nie erscheinen wird."
Isolation und Konzentrationsschwierigkeiten
Zwischen dem Entwicklungsstart und dem Release wurden die Arbeitsabläufe des Teams von Covid-19 auf den Kopf gestellt. "Als die Pandemie begann, hatten wir gerade den Mietvertrag für unsere neuen Büros unterschrieben", sagt Ericson. Bis dahin war das Team in einem Co-Working-Space untergebracht, der von ihrem Gründerzentrum zur Verfügung gestellt wurde. "Wir waren so aufgeregt, endlich unseren eigenen Platz zu haben."
"Aber dann kam Covid, wir schickten alle ins Home Office und unsere neuen Büroräume blieben im Grunde zwei Jahre lang unangetastet. Während der Pandemie waren wir mehrmals kurz davor, den Mietvertrag zu kündigen, aber wir haben es nie getan. Es war ein Hoffnungsschimmer, dass eines Tages alles wieder zur Normalität zurückkehren würde." Der Kampf, durch die physische Isolation motiviert und engagiert zu bleiben, wird den meisten Menschen inzwischen bekannt vorkommen. Bei einem Projekt, das so offensichtlich von Leidenschaft angetrieben wird wie Equestrian The Game, ist die Notwendigkeit, diese Leidenschaft aufrechtzuerhalten, vielleicht noch offensichtlicher.
Verschiedene Gründe wie Isolation und Konzentrationsschwierigkeiten belasten das Team laut Ericson während der Entwicklung. Selbst Meilensteine und Erfolge wirken sich anders aus, wenn man sie nicht persönlich zusammen erlebt: "Ich war wirklich traurig, dass wir beim Soft-Launch in Neuseeland im Juli nicht als Team zusammen waren. Wir hatten mehrere Jahre lang so hart gearbeitet, und als der Startschuss fiel, war ich ganz allein und drückte in meinem Wohnzimmer auf einen Knopf. Das war ziemlich enttäuschend."
Trotz dieser Schwierigkeiten blickt Molly Ericson zuversichtlich in die Gegenwart und Zukunft. "Wir ziehen gerade in ein neues Büro, nachdem wir aus dem anderen herausgewachsen sind", erklärt sie. "Es ist ein surreales Gefühl, nach zwei Jahren endlich wieder Leute zu treffen und zusammenzuarbeiten."
Neuseeland als Testgebiet
Die erste Veröffentlichung in Neuseeland sorgte bei Teilen von Kavalris signifikanter Fangemeinde für Verwirrung. Bei einem Soft-Launch wird ein Produkt nur in einer bestimmten Region oder für eine bestimmte Untergruppe des Publikums zur Verfügung gestellt, um Feedback zu sammeln und Verbesserungen vorzunehmen, bevor es der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Für Equestrian The Game hat sich diese Praxis als sehr wertvoll erwiesen.
"Der Soft-Launch nach Regionen ist der neue Standard für Handyspiele", erklärt Ericson. "Es gab keine Möglichkeit, es anders zu machen." Das Kavalri-Team befand sich jedoch in der recht ungewöhnlichen Lage, ein Handyspiel mit einer bereits bestehenden Fangemeinde zu veröffentlichen. "Das hat bei den Spieler*innen, die noch nicht spielen konnten, ein gewisses Gefühl der Ungerechtigkeit ausgelöst", gibt Ericson zu. "Aber unsere Community war fantastisch. Die Fans haben geholfen, die Informationen zu verbreiten und dem Rest der Community das Konzept des Soft-Launches zu erklären. Die Leute waren ungemein verständnisvoll und geduldig, das war sehr ermutigend zu sehen."
Die große Fangemeinde hat auch in anderer Hinsicht eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Equestrian The Game gespielt, erzählt Ericson. "Wir haben so viel von der Community gelernt", sagt sie. "Sie teilen uns ihre Vorlieben und Abneigungen mit, was uns hilft, die Spielerfahrung zu verbessern."
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Authentische Reitsteuerung auf dem Handy
Ein Aspekt, auf den Kavalri besonders stolz ist, ist das Lob für die authentische Reitsteuerung. "Für mich ist das der Beweis, dass Handyspiele nicht simpel sein müssen", sagt Ericson. "Es gibt ein Interesse an einer komplexeren Art von Reitsimulation." Dabei ist nicht alles bei der Entwicklung des Spiels glatt gelaufen. "Das größte Problem war das Wachstum des Unternehmens und die Suche nach den richtigen Teammitgliedern während der Entwicklung des Spiels", sagt Ericson. "Bei einem Startup, das noch keine Einnahmen hat, ist man immer in Sorge, dass einem das Geld ausgeht."
Ericson fügt hinzu, dass die Entwicklung immer länger dauert als erwartet: "Wenn ich von vorne anfangen müsste, würde ich unseren ursprünglichen Produktionsplan um etwa vier Jahre verlängern", sagt sie und lacht. Es gab auch Bugs, Backlash wegen der Preiserhöhung für kosmetische Inhalte, nachdem das Spiel bereits live war, und sogar einen Vorfall, bei dem Ericson versehentlich den Preis für einen Season Pass von 100 Münzen auf eine änderte: "Es war allerdings nur für ein paar Minuten, ich glaube nicht, dass es jemand bemerkt hat."
Molly Ericson ist optimistisch, wenn es um die Nische der Spiele von (und für) Pferdeliebhaber*innen geht. "Es gibt eine große Spieler*innenbasis für diese Art von Spielen", sagt sie. "Wir hatten keine Erfahrung in der Branche und auch keine Erfahrung mit der Leitung eines Spielestudios. Es waren mehrere Jahre harter Arbeit und vollen Engagements für das Studio nötig, aber jetzt ist unser Spiel live und hat es auf Platz eins der kostenlosen Apps im App Store hier in Schweden geschafft. Auch wenn es ein großes Risiko ist, ist das ultimative Pferdespiel nicht unmöglich."
Nachdem das Spiel in Europa bereits erfolgreich ist, ist die weltweite Veröffentlichung im Mai der nächste große Schritt. Und Kavalri ist mit seiner Arbeit am Spiel noch lange nicht fertig.
Pferdespiele nicht mehr nur Mobile?
"Unser langfristiges Ziel ist es immer noch, ein Ökosystem großartiger Pferdespiele für verschiedene Plattformen zu schaffen", erklärt Ericson. "Wir sehen uns nicht als Mobile-Studio, sondern als ein Studio, das leidenschaftlich gerne gute Pferdespiele macht. Es ist einfach so, dass Mobile unser erster Schritt auf diesem Weg ist."
Einen Markt für ein Spiel wie Equestrian The Game auf PC und Konsole gibt es, aber es gibt natürlich wichtige Anpassungen, wenn man ein Spiel portiert, um das Beste aus beiden Plattformen herauszuholen. Die Steuerung, das Benutzer*innenerlebnis und die Monetarisierung funktionieren auf dem Handy ganz anders als auf Konsolen. Beispiele wie Rival Stars Horse Racing zeigen zwar, dass diese Art der Portierung gut funktionieren kann, aber auch ihre Probleme mit sich bringt.
Equestrian The Game ist in gewisser Weise einzigartig. Es ist eines der ersten Indie-Projekte, das im Genre der Pferdespiele veröffentlicht wurde, aber hat in Spielen wie Rival Stars, Wildshade, Equestriad und anderen bereits eine Konkurrenz. Diese Spiele waren alle noch nicht auf dem Markt, als Kavalri Games die Entwicklung startete – ein Zeichen dafür, dass sich die Zeiten für Pferdespiele endlich ändern?
"Ich glaube, seit dem Erfolg von Star Stable ist sich die Branche des Potenzials von Pferdespielen sehr bewusst geworden", so Ericson. "Ich habe Investoren getroffen, die ausdrücklich auf der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten für Pferdespielprojekte waren. Die Reaktionen von Branchenkollegen lauten oft: 'Ah, aufregend! Ich habe eine Frau, Freundin oder Tochter, die es lieben würde'". Jede*r scheint einen Pferdefan zu kennen, dem man Equestrian The Game empfehlen könnte.
Equestrian The Game erfüllt vielleicht noch nicht jedermanns Bedürfnisse – manche Spieler*innen haben etwa generell Schwierigkeiten damit, sich mit Handyspielen anzufreunden. Aber die positive Resonanz, die das Team erhält, ist auch für Pferdeliebhaber*innen ein positives Signal. "Die Entwicklung von Equestrian The Game war ein echter Traum von mir", fügt Ericson hinzu. "Zu sehen, wie er endlich Wirklichkeit wird, ist surreal."