Mit Hip-Hop-Beats und Zelda trotzt Mikel dem Geschäftsmodell von Spotify

Die Mischung aus nostalgischer Videospielmusik und entspannten Beats des Saarbrücker Musiker Mikel traf einen Nerv – er kann mittlerweile von seinen Zelda-Remixen leben.

Mit Hip-Hop-Beats und Zelda trotzt Mikel dem Geschäftsmodell von Spotify

Von der Musik zu leben ist für kleine Künstler*innen eine noch größere Herausforderung, als seinen Lebensunterhalt mit Videospielen zu verdienen. Während sich letztere mit der "Indiepocalypse", dem Preisverfall durch Sales und einem Überangebot auf Plattformen wie Steam herumschlagen müssen, werden Musiker*innen gar nicht mehr direkt bezahlt. Seit Spotify das Streaming zum Standard gemacht hat, gehören kostenpflichtige iTunes-Downloads und CD-Verkäufe endgültig der Vergangenheit an.

Der Saarbrücker Michael Jakobi hat es dennoch fast zufällig geschafft, sein Hobby zum Beruf zu machen. Unter dem Pseudonym Mikel veröffentlichte er 2018 ein Remix-Album, auf dem er Hip-Hop-Beats und Zelda-Soundtracks vermischte. Zelda & Chill ist nicht nur eine Hommage an die Kompositionen von Hajime Wakai und Kōji Kondō – es ist auch ein Erfolg, der sein Leben verändert hat.

Allein auf YouTube kommt "Zelda & Chill" auf 14 Millionen Views.

Aus Versehen vom Studenten zum Vollzeitmusiker

Dieser Erfolg kam unerwartet. Zwar war Musik immer Mikels Leidenschaft, aber ohne die Fähigkeit zum Notenlesen und dem Computer als einzigem praktisch bespielten Instrument, war ein klassisches Musikstudium keine Option. Stattdessen studiert er an der Kunsthochschule für bildende Künste in Saarbrücken Illustration und Animation.

Dieses Studium ist für Mikel mittlerweile zum Nebenjob geworden. Laut verschiedenen Erhebungen zahlt Spotify gerade einmal 0,003 US-Dollar pro Stream aus. Mittlerweile plant das Unternehmen, Künstler*innen gleich nur noch mit Reichweite bezahlen. Für die meisten Musiker*innen ist das zu wenig zum Leben, für Mikel reicht es. Allein auf Spotify kommen die 14 Tracks von Zelda & Chill nach eigenen Angaben auf 66 Millionen Plays. Dagegen sind die 14 Millionen von YouTube und 8 Millionen von Apple Music fast verschwindend klein. Das demonstriert die Marktmacht von Spotify.

Vor dem richtigen Keyboard machte Mikel seine Beats und Melodien mit der Tastatur des Laptops. 

Spezialisierte Firmen haben sich in den letzten Jahren der Veröffentlichung von Spielesoundtracks auf Schallplatten verschrieben. Auch Zelda & Chill bekam einen physischen Release. Die sind für Mikel allerdings eher ein nettes Gimmick. Obwohl Vinyl wie eine gute Unterstützungsmöglichkeit für Künstler*innen wirkt, verdient er trotz aller Schwierigkeiten sein Geld beinahe ausschließlich durch Streams.

Videospielmusik ist eine erfolgreiche Nische

Um sich der Veröffentlichung nicht allein stellen zu müssen, kontaktierte Mikel GameChops, das Label von DJ Chris Cutman. Cutman stellte mit seinem Podcast This Week in Chiptune in über 200 Folgen von Videospielen inspirierte Musik vor. Mit seinem Label GameChops will er Künstler*innen bei der Produktion ihrer Musik, aber auch der Lizenzierung von Remixen und Covers unterstützen.

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Sieben Jahre lang arbeiten zwei ehemalige Harmonix-Mitarbeiter an ihrer ganz eigenen Vision für ein Musikspiel. Co-Designer Brian Gibson erzählt von kreativer Freiheit, improvisierter Problemlösung und Rockstar-Gehabe.

Im Portfolio des Labels ist Zelda & Chill nur eines von dutzenden Alben, die großen und kleinen Videospielen musikalisch Tribut zollen. Es gibt ein Remixe zum Indiespiel Undertale, Rap-Songs über Among Us und eine Reihe von Cover-Alben mit Songs aus Sonic The Hedgehog.

Mit dem großen Erfolg rechnet er nicht. "Ich wäre mit 5000 Views auf meinem eigenen YouTube-Kanal zufrieden gewesen", sagt Mikel. Mit der Unterstützung von GameChops übersteigt Zelda & Chill dieses bescheidene Ziel um ein Vielfaches. Stand heute ist es die beliebteste Veröffentlichung auf dem Spotify-Profil des Labels.

Zelda hat er nicht gespielt, sondern nur gehört

Michael Jakobis Weg zum erfolgreichen Hip-Hop-Produzenten war lang. "Mit sechs Jahren habe ich Kool Savas gehört, und dann bald Sachen wie Dr. Dre", erinnert er sich an seine musikalische Früherziehung. "Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich die Beats oft besser finde als den Track." Während er die Beats also schon früh entdeckte, erlebte er die andere Hälfte seines späteren Albums nur aus zweiter Hand.

"Als Kind hatte ich nie eine Konsole und musste immer bei Freunden zugucken", erzählt er. Eines dieser Spiele war Ende der 90er Jahre The Legend of Zelda: Ocarina of Time. Statt der Erfahrung, selbst gespielt zu haben, blieb etwas anderes bei ihm hängen: "Ich konnte nicht glauben, wie gut der Soundtrack ist", sagt Mikel. "Jedes einzelne Lied war einprägsam." Zu diesen Melodien kehrte Mikel 2017 zurück. Damals stellte er das Konzept für seinen kleinen YouTube-Kanal um. Statt selbst gerappter Songs, die er nicht mehr ganz zeitgemäß fand, startete er ein neues Projekt: Jede Woche sollte der Remix eines Spielesoundtracks erscheinen, von Pokémon über GTA III bis Skyrim, angefangen bei Ocarina of Time.

Die richtige Mischung aus alten Melodien und trendigen Beats

Coverversionen von beliebten Soundtracks gibt es auf YouTube zuhauf. "Ich habe supergern einfach mal Zelda oder Herr der Ringe eingegeben und Neuinterpretationen mit anderen Instrumenten gehört", sagt Mikel. Seine eigenen Versionen wurden allerdings nicht mit Akustikgitarre und Piano eingespielt, sondern mit Laptop und Hip-Hop-Beats.

Mit der Mischung aus nostalgischen Kindheitserinnerungen und angesagtem Lo-Fi-Hip-Hop traf Mikel einen Nerv. Auf YouTube und Spotify erfreuen sich die entspannten Beats seit einigen Jahren wachsender Popularität. Der berühmteste 24-Stunden-Livestream mit dem lernenden Anime-Mädchen hat 200 Millionen Views. "Ich wusste nicht mal, dass das so ein großer Hype war", sagt er über das Trendgenre der Meme-Generation.

Was sein Album von diesen Playlists unterscheidet, sind die Melodien. "Lo-Fi Hip Hop Beats To Study/Relax To" sind als unaufdringliche, nahezu unsichtbare Hintergrundmusik konzipiert. Auch wenn Mikels Ästhetik mit warmen Elektropianos und tieftönigen Beats daran erinnert, sind seine Tracks durch die Melodien aus Zelda eben doch alles andere als beliebig. "Ich will nicht so klingen wie in den Streams, ich will meinen eigenen Stil."

Entspannte Musik durch schwierige Zeiten

Trotz des Erfolgs war 2020 für Mikel ein schwieriges Jahr – nicht nur wegen der Corona-Pandemie, sondern auch aus privaten Gründen. Die Arbeit an einem neuen Album gab ihm dabei ebenso Halt, wie die Unterstützung seiner Hörer*innen.

"Es ist schön zu wissen, dass Leute deine Musik hören", sagt er. Er habe mittlerweile sogar "richtige Fans, die gern Autogramme hätten." Andere erzählen von ihren eigenen Erlebnissen, bei denen Zelda & Chill sie begleitet hat. Und auch, dass ihnen seine Musik selbst durch schwere Zeiten geholfen habe.

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