Dieser Publisher wehrt sich mit Modulen gegen den Digital-Trend
Indie-Spiele auf physischen Medien zu veröffentlichen ist teuer und aufwendig. Der Publisher Super Rare Games ist damit trotzdem erfolgreich. Sind limitierte physische Versionen der Ausweg aus einem übersättigten Markt?
Von E-Rezept bis Videocalls: Die Digitalisierung aller Lebensbereiche, von der Arbeit bis zur Freizeit, ist nicht mehr aufzuhalten. Konnte man früher die Hingabe eines Menschen an sein Hobby an den Regalmetern messen, die von Büchern, DVD-Hüllen oder Pappkartons von PC-Spielen belegt waren, wandern diese Hobbies zunehmend in E-Reader, Streamingdienste und Monatsabos.
Dass gerade Videospiele immer weniger auf physische Veröffentlichungen setzen, ist nicht verwunderlich. Laut NPD-Group-Analyst Mat Piscatella erschienen 2021 in den USA nur 228 Premium-Titel als physische Version – weniger als zehn Prozent der knapp über 2.300 von Piscatella als solche kategorisierten Spiele. Inklusive anderen Spielen und Addons, die Piscatella nicht in seine Auflistung aufnimmt, sind es sogar rund 10.000 Titel, die pro Jahr auf Steam erscheinen und vermutlich nie ihren Weg auf eine Blu-ray oder Konsolen-Cartridge finden werden.
Auch der Umsatz mit physischen Versionen ist beinahe vernachlässigbar. Gerade mal sieben Prozent des weltweiten Gesamtumsatzes, umgerechnet rund 12 Milliarden US-Dollar, wurden 2021 mit Disc-Fassungen erwirtschaftet. Warum also überhaupt noch den Aufwand betreiben, Spiele zum Anfassen zu veröffentlichen?
Zwischen Herzensangelegenheit und lukrativem Geschäftsmodell
"Es gibt vermutlich noch Millionen von Menschen, die physische Spiele bevorzugen, und ich gehöre auch dazu", sagt Ryan Brown. Er ist PR-Chef bei Super Rare Games, einem Indie-Publisher, der sich auf limitierte physische Veröffentlichungen digitaler Spiele für die Nintendo Switch fokussiert. "Ich habe tausende von Spielen zuhause, ein Großteil davon Switch-Titel, und schon jetzt Angst davor, jemals umziehen zu müssen."
Super Rare Games wird 2018 von George Perkins gegründet. Die erste Veröffentlichung des Publishers ist im März 2018 Human: Fall Flat, es folgen Titel wie Snake Pass, Machinarium, World of Goo, Abzû oder Mundaun. Brown selbst stößt im Mai 2020 zur Firma. Was das Geschäftsmodell besonders macht: Jede Auflage ist auf 3.000 bis 6.000 Stück begrenzt, Nachpressungen sind nicht vorgesehen, und weil die Firma aufgrund ihres Rufs mittlerweile fest damit rechnen kann, alle Einheiten abzusetzen, erhalten Entwickler*innen einen vertraglich vereinbarten Fixbetrag anstelle von Tantiemen. "Das ist natürlich eine gute Ausgangslage für das Gespräch mit Entwickler*innen", so Brown.
"Wir haben kürzlich ein Spiel namens Flynn: Sword of Crimson veröffentlicht, das in 51 Minuten ausverkauft war", erklärt er. "Von außen betrachtet ist das sicher super, aber eigentlich heißt das nur, dass wir nochmal 1.000 Stück hätten produzieren können. Das ideale Szenario ist, dass sich ein Spiel im Laufe einer Woche komplett verkauft, damit jede*r, der*die eines haben möchte auch die Chance darauf hat."
Sammeln gehört bei Nintendo zur Tradition
Diese Einstellung ist auch im Arbeitsprozess des Publishers begründet. Vom ersten Kontakt zwischen Super Rare und den Entwickler*innen bis zum fertigen Produkt vergehen rund zwölf Monate, in denen eigene Artworks und ein gedrucktes Handbuch produziert, eine Alterseinstufung vorgenommen und das Okay von Nintendo selbst hinsichtlich der Qualität des Gesamtpakets eingeholt werden.
Wirtschaftlich lohnt sich das nach eigenen Angaben zwar, ist aber laut Brown nicht ohne Hürden. "Natürlich ist es teurer, eine Switch-Cartridge zu produzieren als eine Playstation-Blu-ray", so der PR-Manager. "Warum wir trotzdem für Switch veröffentlichen, liegt unter anderem einfach daran, dass George Perkins zur Firmengründung eine große Sammlung für die Switch hatte. Historisch gesehen haben Menschen, die physische Spiele sammeln, auch eine starke Verbindung zu Nintendo, sei es NES, SNES, N64 oder Gamecube."
Der Fokus auf physische Spiele zum einen und die Nintendo Switch zum anderen scheint zumindest in dieser spezifischen Nische ein zukunftsträchtiges Modell zu sein. 2021 standen Xbox und PlayStation beispielsweise vermehrt für die Praxis des Always-On-DRMs, also der Notwendigkeit einer dauerhaften Internetverbindung beim Spielen, in der Kritik. Gehen die Server, mit denen die Konsole den Kopierschutz online abgleicht, irgendwann vom Netz, werden ganze Spielebibliotheken von jetzt auf gleich unbenutzbar.
Ganz ohne digital geht es auch nicht
Die Switch setzt zwar auch vermehrt auf exklusive digitale Veröffentlichungen (2021 waren es laut Mat Piscatella rund 980), verzichtet aber, soweit bekannt, auf diese Always-On-Mechanik. Das ist nicht nur gut für Sammler*innen, sondern auch für Super Rare, denen laut Brown auch die Archivierung von Games am Herzen liegt. "Wenn ich ein digitales Spiel kaufe, fühlt es sich nicht wie meins an, eher wie ein Wegwerfartikel", erklärt er. "Wir sehen Games als etwas Beständiges an. Digitale Shops schließen vielleicht irgendwann, und wenn ich in 25 Jahren Lust habe, ein bestimmtes Spiel zu spielen, kann ich das mit einer physischen Version tun."
Trotz aller Liebe zu Games als Sammelobjekt kann sich Super Rare dem Digitalgeschäft nicht ganz verschließen. Im Februar 2022 startet der Publisher seine Originals-Reihe, in der Indiespiele auf unterschiedlichen Plattformen digital veröffentlicht werden. Und auch Browns Herzensprojekt, das Super Rare Mixtape mit rund 30 Spielen auf einem USB-Stick, ist näher am Digitalen als am Physischen.
Dennoch: Physische Releases werden auch in Zukunft das Kerngeschäft von Super Rare Games bleiben, der Digitalisierung aller Lebensbereiche zum Trotz. "Wir finden immer neue Leute, die mit dem Sammeln physischer Spiele anfangen", sagt Brown. "Menschen, die Spiele in der Hand halten wollen, sind nicht verschwunden, sie sind immer noch überall."