Terra Nil und Alba zeigen, wie hoffnungsvoll Klimaschutz sein kann

Schon heute beeinflusst der Klimawandel unser Leben. Einige Spiele versuchen darauf aufmerksam zu machen, indem sie innovative Konzepte vorschlagen oder zeigen, wie schützenswert die Natur ist. Aber reicht das?

Terra Nil und Alba zeigen, wie hoffnungsvoll Klimaschutz sein kann
Statt die Natur auszubeuten, wird sie in diesen Spielen geschützt. (Quelle: Free Lives)

Spiele und Natur haben eine komplizierte Beziehung. Während manche Spiele die Umwelt zu reiner Mechanik machen, bietet die Natur in anderen lediglich den Schauplatz für Endzeit-Narrative. Mehr als die visuelle Rückeroberung des öffentlichen Raums wird hinsichtlich des Einflusses von Menschen auf die Umwelt kaum thematisiert, von ihrer Zerstörung ganz zu schweigen. Umweltschutz spielt hauptsächlich in Serious Games eine Rolle, wo niedrigschwellig Wissen über Flora und Fauna vermittelt wird. Spielerisch haben solche Titel in etwa so viel zu bieten wie ein Aprikosenbaum im Herbst: nichts.

Alba: A Wildlife Adventure ist deutlich mehr Spiel als Schulstunde und dreht sich um die titelgebende Heldin, die ein Naturschutzgebiet auf der Insel ihrer Großeltern retten will. Die Kernmechanik ist das Fotografieren und Katalogisieren der Tiere auf der Insel. Im Gegensatz zu Pokémon oder Taxidermie sei das Sammeln der Tiere in Alba mittels Fotografie respektvoll. "Man lernt etwas über sie, erzählt Menschen von ihnen und diese wiederum fangen an die Tiere wertzuschätzen und zu beschützen, den Lebensraum der Tiere zu erhalten", erklärt Art Director David Fernandez-Huerta.

Kleine Kinder retten das Naturschutzgebiet

Das Ziel des Spiels ist kein geringeres als darauf aufmerksam machen, wie Menschen Teil der Lösung für das Problem der Zerstörung der Erde sein können. Mit kleinen Gesten wie dem Aufsammeln von Müll, aber vorrangig durch gemeinsamen Austausch: "Die wichtigste Aktion ist, zu mobilisieren und ein Bewusstsein für das Thema zu entwickeln." Das gelinge in Alba vor allem durch die Wertschätzung der Natur und dem respektvollen Umgang mit Tieren.

Schauplatz von Alba: A Wildlife Adventure ist eine beschauliche Mittelmeerinsel, auf der ein Naturschutzgebiet gerettet werden soll. (Quelle: Eigener Screenshot)

Dieser Ansatz, sich mit Umweltschutz und der Rolle von Menschen bei selbigem zu beschäftigen, entstand allerdings erst im Laufe der Entwicklung . Fernandez-Huerta fand schon immer Gefallen daran, beim Wandern zu fotografieren und nach den Tieren Ausschau zu halten, die er hörte. Mit ustwo-Kollegin Kirsty Keatch entwickelte er einen Prototypen, der die langen Sommernächte und das Leben an der spanischen Mittelmeerküste einfangen sollte.

Wie auch bei Fernandez-Huertas Erkundungstrips hört man in Alba die Tiere lange, bevor man sie sieht, was der Arbeit von Sounddesigner Dan Pugsley zu verdanken ist. Während die meisten Aufnahmen von Tieren aus Datenbanken stammen, musste er einige selbst kreieren. Dafür habe er zum Beispiel die Aufnahme eines singenden Vogels verlangsamt, die Melodie selbst gepfiffen und dann wieder beschleunigt. Andere Tiere seien mit vom Computer verfälschten menschlichen Stimmen und Geräuschen entstanden.

"Was ich sehe, sind flache Farben und simple Formen. Aber was ich höre, ist die echte Welt."

Trotz dieser Tricks wirkt der Soundtrack realistisch. Die Grafik ist hingegen bewusst simpel. "Was ich sehe, sind flache Farben und simple Formen. Aber was ich höre, ist die echte Welt. Da die Visuals so stilisiert waren, sollten die Sounds umso realistischer sein", erklärt Fernandez-Huerta. "Tiere sollten richtige Tiere sein und der Ort sich wie ein richtiger Ort anfühlen", erläutert er die glaubhafte Atmosphäre.

Neben glaubhaft ist die Atmosphäre vor allem eines: hoffnungsvoll. Fernandez-Huerta beschreibt, dass der Ton von Anfang an positiv sein sollte: "Der Appell zum Wandel muss mit positiver Nachricht einhergehen, er muss optimistisch sein. Das erlaubt ein Kind als Protagonist: Sie weiß nicht, was möglich ist und was nicht. Aus ihrer Sicht kann sie alles tun, was sie will."

In Terra Nil verwandelt man mittels echter Konzepte und Sci-Fi Brachland in blühende Landschaften. (Quelle: Free Lives Games)

Befriedigung durch Natur

Der "Reverse City Builder" Terra Nil erschafft das Gefühl von Errungenschaften nicht durch ineinander greifende Zahnräder und perfekt funktionierende Maschinen, sondern ein stabiles Ökosystem. Im noch nicht veröffentlichten Spiel von Free Lives Games wird die Maxime des Fortschritts und der damit einhergehenden Industrialisierung um 180 Grad gedreht. Brachland soll mithilfe technischer Geräte wieder mit Leben gefüllt werden. Nach Wiederherstellung der Biodiversität sollen besagte Geräte aber wieder aus der Welt verschwinden.

Auch hier findet sich Hoffnung, wie Art Lead Jonathan Hau-Yoon verdeutlicht. "Ich glaube, dystopische Darstellungen beeinflussen unsere Wahrnehmung von dem, was möglich ist und haben die Tendenz uns zynisch und mutlos werden zu lassen." Die Wiederherstellung der Natur sei das Hauptziel und Natur entsprechend der Hauptcharakter des Spiels. Um Biodiversität wiederherzustellen und aus dem Brachland florierende Natur zu machen, leiht sich Terra Nil Konzepte aus den Naturwissenschaften.

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"Terra Nil bedient sich an Konzepten aus der echten Welt und erschafft gleichzeitig seine eigene Science Fiction. Das macht es einnehmender, als wenn es pure Fantasie oder Magie wäre", erläutert Hau-Yoon. Dabei will das Spiel in erster Linie Unterhaltung sein und keine Bildung: "Es muss nur unterhaltend genug sein, um die Vorstellungskraft der Spielenden zu inspirieren."

Dass die Konzepte, die Forscher*innen auf der ganzen Welt einsetzen, fast magisch erscheinen, dürfte dabei helfen. Neben kontrollierten Bränden oder Schatten spendenden Stoffen über Setzlingen können Spielende in Terra Nil elektrische Strukturen unter Wasser errichten, die Korallen beim Wachstum unterstützen oder Zäune bauen, die Strände vor der Erosion bewahren. "Gleichzeitig ist es in Terra Nil eine Welt, in der Raketenwerfer einen Graben ziehen können oder fiktionale Gerätschaften die Gifte aus radioaktiv verseuchter Erde ziehen können", so Hau-Yoon.

"Terra Nil betont die natürliche Schönheit"

Dass vor allem die Liebe zur Natur stehe, begründen die südafrikanischen Entwickler*innen mit der Wertschätzung der Umwelt in ihrem Land. "Terra Nil konnte nur vor einem solchen Hintergrund entstehen", verdeutlicht Hau-Yoon. "Die Kunst des Spiels betont die natürliche Schönheit und sieht alles Leben als wertvoll und schützenswert an. Und wenn wir Glück haben, inspiriert das Spiel hoffentlich einige Lösungen für eine positivere Zukunft zu erdenken."

Terra Nil will in erster Linie unterhalten, dann weiterbilden. (Quelle: Free Lives Games)

Die Botschaft von einer Welt, die von der Ödnis zum Paradies wird, scheint angesichts der existenzbedrohenden Umstände pessimistisch. Die Prämisse von Terra Nil sei jedoch freundlicher: "Das Spiel handelt von einer imaginierten Welt, in der wir direkten Einfluss haben und durch unser Handeln dem Zusammenbruch der Umwelt entgegnen können." In insgesamt fünf Biomen sollen Spielende genau das tun können und mit einer Mischung aus tatsächlichen und fiktiven Methoden Hoffnung schöpfen, während braune Pixel zu Blumenwiesen, Korallenriffen und Wäldern voller summenden Bienen werden.

"Am besten funktionieren Dinge, wenn du sie in Kontext setzt"

Alba: A Wildlife Adventure und Terra Nil sind einige der wenigen Spiele, denen eine Gratwanderung zwischen konkreten Handlungsvorschlägen und Spielspaß gelingt. Welchen Einfluss solche Titel auf Spielende haben und ob sie tatsächlich dabei helfen können ein Bewusstsein für Klimaschutz zu entwickeln, erklärt Gerrit Neundorf. Der Medienpädagoge arbeitet am Spawnpoint Institut für Spiel- und Medienkultur und meint: "Das Medium bietet Möglichkeiten sich mit gesellschaftsrelevanten Themen auseinanderzusetzen." Man könne zum Beispiel Ansätze in Spielen analysieren und reflektieren, ob es so tatsächlich funktionieren könne. "Am besten funktionieren Dinge, wenn du sie in Kontext setzt", sagt er.

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Deswegen ist es für Neundorf wichtig Themen nah an den Lebensrealitäten der Spielenden zu denken. Spiele allein genügen nicht, weil sie komplexe Problematiken vereinfachen und schnell zu Erfolgserlebnissen führen müssen. "Das macht es schwer sich damit zu identifizieren, ein Bewusstsein für Umwelt herzustellen und damit sein eigenes Verhalten zu reflektieren und vielleicht zu ändern." Die aktive Medienarbeit setze genau hier an. Sie sei der "missing link zu dem, was man sich wünscht, das Spiele können und dem, was sie in der Lage sind zu leisten." Für ihn sind es Spiele, die emotional mitnehmen, die den größten Impact haben können.

Die Verantwortung sieht Neundorf aber nicht nur bei den Spielenden oder Pädagog*innen: "Alle können dazu beitragen." Spiele im Bildungskontext vermögen das Denken aufzubrechen, aber "man muss Leute auf die Handlungsebene bringen." Jeder Beitrag zum Umweltschutz sei legitim und auch wenn nicht alles grün sei, könnten Publisher und Studios ihre Communities mobilisieren und auf die Klimakatastrophe aufmerksam machen.

"Zuerst kommt die Wertschätzung der Natur, dann ihr Schutz"

All die grünen Bemühungen ändern wenig an der ironischen Tatsache, dass sowohl die Produktion als auch das Spielen von Spielen alles andere als klimafreundlich ist. Der Stromverbrauch eines Gaming-PCs liegt zwischen 300 und 1.000 Watt pro Stunde, je nach Hardware. Berechnungen des Berkeley Lab ergaben 2015, dass ein typischer Gaming-PC jährlich 1.400 Kilowattstunden verbraucht. Zum Vergleich, laut Statistischem Bundesamt lag der Stromverbrauch eines 1-Personen-Haushalts bis 2019 bei knapp über 1.900 Kilowattstunden pro Jahr.

Und auch wenn beispielsweise Playstation-Hersteller Sony bis 2050 klimaneutral sein möchte, verbrauchten Werkstätten entlang der gesamten Wertschöpfungskette (von Entwicklung über Produktion, Logistik bis zum Vertrieb und Konsum) weltweit laut Seite 155 des Sustainability Reports 2021 im Jahr 2020 insgesamt 15,6 Million Kubikmeter Wasser – 2% mehr als im Vorjahr und 26% mehr als 2015. Dazu kommt, dass die Gamesbranche nach wie vor mit dem Schutz der Arbeitnehmer*innen beschäftigt ist: ustwo wurde im Oktober 2019 vorgeworfen, einen Angestellten aufgrund seiner Aktivität in der Gewerkschaft gekündigt zu haben.

Alleine Laptops und Smartphones sind in Nutzung und Herstellung für geschätzte 142 Kilo CO2-Ausstoß pro Kopf in Deutschland verantwortlich. Gaming-PCs dürften hier weitaus höher rangieren. (Quelle: Statista)

Gleichzeitig wird Klimaschutz immer weiter forciert: Fachkonferenzen nehmen sich dem Thema an und Initiativen sprießen aus dem Boden, die die Verantwortung auf Unternehmen lenken statt auf Individuen. Der Games Forest Club ermöglicht Unternehmen aus der Gamesbranche einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und mit der Mitgliedschaft den Schutz und Neuanbau von Wäldern zu unterstützen. Das UN-Umweltprogramm verfolgt unter dem Titel "Playing for the planet" ein ähnliches Ziel.

Das Studio hinter Alba: A Wildlife Adventure hat zusammen mit Ecologi für jedes verkaufte Exemplar des Spiels einen Baum gepflanzt und kann mittlerweile über eine Million Bäume auf seinem Konto verbuchen. Es bewegt sich also was in Sachen Klima in der Gamesbranche. Um es in den Worten von David Fernandez-Huerta und Alba zusagen: "Zuerst kommt die Wertschätzung der Natur, dann ihr Schutz."